Auf und davon? Ein wandel-bares Leben.
Es gab Zeiten, früher, da hab ich solche Lebens-Ratgeber ja geliebt, so lean-management und mach-dich-frei von Dingen und Sorgen und ähnliches. Und irgendwie ging es in diesen Büchern IMMER
darum, dass man sich von ganz vielem trennen sollte. Oft hieß es sogar: besser schnell wegwerfen, als dass einen das "Zeugs"oder gar Beziehungen runterzieht und belastet. Man versprach mir als
folgsame Leserin: wenn du diesen Anweisungen folgst, ja DANN wird dein Leben wirklich leichter und frei von Sorgen. Und ein leichteres Leben haben zu wollen (und zu müssen) ja das war doch was,
was jeder brauchte oder?
Und dann brachte das Leben eine andere Zeit für mich. Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie das begann. Es schlich sich einfach so hinein. In kleinen Schritten. Es hat mich ganz ungeahntes und
neues gelehrt. Ich habe gelernt, dass es auf dieser Welt kein "weg und fort" gibt. Alles was ich aus meinem Leben raus-werfe muss zwangsläufig woanders wieder landen. Und sei es nur als Müll über
den ich oder andere dann wieder drüber stolpern müssen, irgendwann. Wie so was in krassem Ausmaß in den Landschaften in der Natur, in den Meeren aus sieht, das sollten die meisten von uns
inzwischen wissen.
Und dann war da in mir auf einmal nicht nur die Müll-Frage sondern ebenso wichtig die Überlegung: wie endlich sind die Vorräte, die die Erde uns zur Verfügung stellt? Dürfen wir etwas, das
möglicherweise nicht unendlich lange und oft zur Verfügung steht – damit wir es uns im Leben leichter erscheinen lassen – einfach so respektlos weg werfen? Wenn es uns nicht mehr gefällt? Wenn
der Platz zu eng wird? Weil wir was „Neues“ haben möchten?
Also wie gesagt, es kam dann in meinem Leben eine andere Zeit. Ich habe begonnen über solche Dinge nachzudenken. Und ich erinnerte mich daran wie sorgfältig meine Oma, die zwei Weltkriege und so
manche schlechte Zeit mitgemacht hatte, mit den kleinsten Dingen umgegangen ist. Sie wusch sogar die Plastikbeutel aus, hängte sie zum trocknen auf der Leine auf. Bettwäsche, die zerschlissen war
und löchrig, schnitt sie in Stücke, säumte sie mit der Nähmaschine (damals war das noch kein Jersey-Stoff sondern festes Baumwolltuch) und nutzte die genähten Tücher fortan als
Geschirr-Trockentücher in der Küche.
Ja und in der Zeit, als ich begann darüber nachzudenken, wie das ist mit dem „weg damit oder behalten“, begann ich nach und nach selbst neue Verhaltensweisen auszuprobieren.
Einmal las ich auch einen kleinen Satz einer irischen Permakultur-Bloggerin (Bealtaine Cottage) Sie schrieb: „There is no a-way“. ( „es gibt kein weg“ so sinngemäß übersetzt).
Dieser Satz hat dann noch zusätzlich etwas in mir gerade gerückt. Und da begann ich Stück für Stück, wie ich Zeit und auch Fähigkeiten dazu fand, immer weniger weg zu werfen. Dinge zu reparieren,
kaputte Kleidung, die wirklich nicht mehr tragbar war für anderes zu nutzen, neues auszuprobieren und immer öfter auch: einfach nur inne zu halten, zu beobachten und zu überlegen, was jetzt Sinn
machen könnte. Ebenso begann ich mich mit Permakultur, Selbstversorgung, Gärtnern, Einkochen, Sammeln in der Natur und noch vielen anderen Dingen zu beschäftigen.
Plötzlich wurde das Ganze zu einem völlig neuen Lebensstil, der – wenn ich zurück blicke – viel erfüllender ist als die damaligen „Wegwerf- und Neu-haben-müssen Orgien“, die man mir anerzogen
hatte und die ich brav nachlebte.
Ich befinde mich jetzt schon seit einigen Jahren auf diesem Weg, doch ich finde immer noch neue Möglichkeiten. Ein interessanter Nebeneffekt: obwohl ich ganz oft am tun und machen bin, es ist in
mir drin und in meinem Leben viel ruhiger geworden.
Manchmal denke ich: wie dumm ich vor Jahren war. Dann wiederum aber auch: wie gut, dass ich dazu gelernt habe. Das scheinbare Chaos der Dinge stört mich immer weniger. Ich versuche zu erkennen,
dass es eher auch ein Wandel als ein beständiges Chaos ist. Ein Wandel, der zum gesunden Leben dazu gehört.
Heute morgen hatte ich wieder mal so ein paar Stunden, in denen ich in meinen Schachteln mit ausrangierter Kinderkleidung und Stoffresten gewühlt habe. Dann hab ich die Nähmaschine ausgepackt und
einen kleinen Stapel Läppchen genäht. Die will ich nun als Putzlappen, Geschirrtuch, Staubtuch oder wozu immer sie mir dienen können nutzen. Gleichzeitig versuche ich nach und nach so von den
Microfaser-Lappen weg zu kommen, die ich mir auch mal habe aufschwatzen lassen. Noch gar nicht so lange her, habe ich nämlich erkannt, dass die Microfasern durch Abrieb in die Umwelt, ins Wasser
und auch in die Nahrungskette gelangen. Also das zeigt mir, dass auch ICH noch immer neues Wissen erlange. Zusammenhänge, die mir vorher so gar nicht klar waren und neue Ideen, die künftig dann
auf meiner Liste des „als noch zu wandeln geplant“ landen.